Carmen Jones

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Vorprogramm: Gespräch mit dem Musikwissenschaftler Daniel Ender

US 1954. Regie: Otto Preminger. Mit Dorothy Dandridge, Harry Belafonte, Olga James, Pearl Bailey. 103 min. OF

George Bizets Oper machte in den 1940ern als Musicalhit von Oscar Hammerstein II am Broadway eine erstaunliche Zweitkarriere. 1954 setzte Otto Preminger, der Schrecken der amerikanischen Filmzensur, mit seiner Version noch eins drauf: Er besetzte den Film mit einem All-Black-Cast und verlegte die Handlung in die Südstaaten. Harry Belafonte als G.I. Joe verfällt dem Charme von Dandridges Carmen, die in einer Fallschirmfabrik arbeitet – doch am Ende geht sie wieder zurück zu ihrem Ex, einem Boxchampion im Schwergewicht, und singt: „You go for me and I’m taboo.“ Erotik pur!

Falter: Bei den Dreharbeiten eines Films wie Carmen Jones haben Sie vermutlich keine Sekunde daran gedacht, dass er 50 Jahre später noch gezeigt würde!
Harry Belafonte: Nein, natürlich nicht. Offen gestanden war ich keineswegs überzeugt, dass er auch nur fünf Monate später noch gezeigt würde.
Falter: Worauf führen Sie diese bleibende Popularität zurück?
Belafonte: Eventuell hat das mit den Bedingungen zu tun, unter denen Filme wie dieser entstanden sind. Es gab so viele negative Kräfte im Hollywood der 1950er-Jahre, die sagten: Das, das und das dürfen Sie alles nicht, sonst zeigen wir den Film nicht! Wenn man diese gesellschaftlichen Hintergründe kennt und eine Ahnung von all den Kämpfen hat, die wir gekämpft haben, wird man die Tatsache vielleicht zu schätzen wissen, dass diese Filme überhaupt gemacht wurden.
Falter: Stimmt es, dass Sie damals bei einem Schauspieler aus Wien noch extra Unterricht genommen haben?
Belafonte: Schauspielunterricht, ja. Aber nicht nur das. Ludwig Donath war auch mein Gesangslehrer. Er half mir bei der Vorbereitung auf Carmen Jones und wurde mir ein sehr lieber Freund. Ich habe vergessen, dass er aus Wien kam!
Falter: Er floh 1938 vor den Nazis in die Vereinigten Staaten.
Belafonte: Er war ein großartiger Schauspieler, sehr versiert in klassischer Musik, und er coachte einige der größten Opernstars. Leontyne Price zum Beispiel. Er arbeitete wie ein Regisseur, erörterte gemeinsam mit uns den Subtext und so weiter. Carmen Jones war ein ungeheuer schwieriges Unterfangen.
Falter: Weil Ihre Gesangsstimme nachher synchronisiert wurde?
Belafonte: Nein, vorher! Ich musste sozusagen Playback schauspielern. Eine ziemlich merkwürdige Erfahrung.

Harry Belafonte in einem Gespräch mit Michael Omasta (Falter 08/2012)


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